Das war der Scientific Career Day 2021
„Wie führen Sie, wie werden Sie geführt?“ Diese Frage hat Professorin Elke Kalbe, Prodekanin des Prodekanats für Akademische Entwicklung und Gender an der Medizinischen Fakultät und Initiatorin des Scientific Career Days, veranlasst, dem Thema einen Tag lang Raum zu geben, um sich über moderne Führungskonzepte auszutauschen. Denn gerade die Universitätsmedizin stellt besondere Anforderungen an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Welche Führungskultur also braucht Forschung in der Medizin?
„Unsere Nachwuchskräfte sind die entscheidenden Erfolgsfaktoren für exzellente Forschung an der Fakultät“, davon ist Elke Kalbe überzeugt. „Wir müssen uns fragen: Was können wir tun, damit junge wissenschaftliche Mitarbeiter*innen ihr Bestes geben können und wollen. Der Erfolg der Spitzenmedizin der Zukunft hängt entscheidend davon ab, wie der wissenschaftliche Nachwuchs geführt wird“, sagt Elke Kalbe.
So stand am 27.10., dem zweiten Scientific Career Day, das Thema „Führungskultur von morgen“ auf der Agenda. Wiederholt fand die Veranstaltung coronabedingt online statt. In Zoom-Sessions und -Vorträgen, in Workshops und beim Science Slam am Abend gab es viele spannende und erhellende Beiträge und Impulse. Das Angebot richtet sich an Nachwuchswissenschaftler*innen und Führungskräfte der an der Medizin vertretenen Fächer – Studierende, Promovierende, Post-Docs und (Post)Habilitand*innen, Professor*innen – Clinician und Medical Scientists. Rund 160 Teilnehmende hatten sich zum Scientific Career Day zugeschaltet.
Das große Finale am Abend war auch in diesem Jahr wieder der Science Slam, bei dem acht Nachwuchswissenschaftler*innen ihre Forschung auf unterhaltsame Art und Weise auch einem fachfremden Publikum präsentierten. Dem Event vorausgegangen war ein zweitägiger Workshop mit Dr. Julia Offe, Expertin für Wissenschaftskommunikation und Gründerin des Science Slams.
Wie sich komplexe wissenschaftliche Themen „on stage“ präsentieren lassen, um auch fachfremde Personen mitzureißen, konnten die Nachwuchswissenschaftler*innen dann am Abend des 27.10 im Gebäude 9 unter Beweis stellen. Folgende Science Slamer*innen gingen mit ihren Forschungsthemen an den Start:
- Stefan Blaschke: Schläge auf den Hinterkopf. Untersuchung subtiler Hirnveränderungen nach Gehirnerschütterungen
- Helene Könnecke: Menstruationszyklus und Impfungen
- Kristel Martinez Lagunas: Can cell death help to prevent COVID-19 death
- Luise Nagel: Proteins on Christmas
- Annamaria Regina: Mitochondria got the power!
- Lena Reiter: Can we look young forever?
- Matthias Rißmayer: (High Intensity-)Training bei Menschen mit Paranoiden Psychosen
- Derya Şahin: Algoritmic fairness
Durch den unterhaltsamen Abend führte Science-Slam-Moderator Andreas Maier. Coronabedingt nahm das Gros des Publikums über Zoom im Live Stream teil und hatte die Qual der Wahl. Beide Gruppen stimmten über die Performances ab, so dass am Ende drei Gewinnerinnen gekürt werden konnten: 1. Platz Annamaria Regina, 2. Platz Helene Könnecke, 3. Platz Derya Şahin.
Gewonnen haben aber sicher alle – sowohl Vortragende als auch Zuschauende!
Rückschau ausgewählter Programmpunkte
Eröffnung & Key Note Lecture: „Führen und gestalten in der Welt von morgen - Wandel von Rolle und Haltung“
Die Key Note Lecture wurde dieses Jahr von Dr. Natalie Lotzmann, Ärztin und Betriebswirtin sowie Vice President of Human Resources beim Softwareentwickler SAP, gehalten. Sie gewährte nicht nut Einblicke in die Führungskultur eines internationalen Unternehmens, sondern interessiert sich als Ärztin insbesondere auch für die Zusammenhänge von Wertschätzung und Motivation auf die Unternehmensentwicklung.
In ihrem Vortrag „Führen und gestalten in der Welt von morgen - Wandel von Rolle und Haltung“ widmete sich Natalie Lotzmann den besonderen Anforderungen der VUKA-Welt: VUKA steht für Volatilität, Uncertainty, Comlexity und Ambiguity. Diesen neuen Herausforderungen, so ihr Credo, müsse mit neuen Strategien einer zukunftsorientierten Führung und gesunden Unternehmenskultur begegnet werden. So solle statt Kontrolle Empowerment und Vertrauen, statt Dienst nach Vorschrift Eigeninitiative und Engagement gefördert werden.
Sie plädierte für einen Wandel in der Unternehmens- und Führungskultur: Transformationale Führung - damit ist das Transformieren von Werten und Einstellungen in Richtung langfristiger, übergeordneter Ziele gemeint – brauche agile Teams, die sowohl auf der Basis vertrauensbasierter Strukturen und Prozesse als auch von vertrauensbasierter Kommunikation eigenverantwortlich agieren. Ihre Botschaft für Führungskräfte im universitären Kontext: „Schaffen Sie Transparenz!“
Als Maßnahmen einer gesunden Unternehmenskultur nannte Natalie Lotzmann klare Bekenntnisse zur Strategie auf Leitungsebene, regelmässiges Messen/Feedback innerhalb eines ganzheitlichen Managementsystems, eine gesunde Haltung und maßgeschneiderte integrative Angebote über Programme und Trainings. Bei SAP habe sich diese Führungskultur ausgezahlt: Mitarbeitende, deren Bedürfnisse gesehen werden, arbeiteten wesentlich effektiver, so Lotzmann. Ihre Ausführungen konnte sie mit beeindruckenden Buisness-Zahlen aus ihrem Unternehmen unterfüttern.
Podiumsdiskussion: Führungskultur von morgen - Wissenschaftliche Karrieren in der Medizin fördern
In der darauffolgenden Diskussionsrunde, die von der Moderatorin Nadine Antler geleitet wurde, diskutierten Dr. Natalie Lotzmann (Vice President of Human Ressources, SAP), Prof. Dr. Gereon Fink (Dekan der Medizinischen Fakultät), René Kessel (Leiter Geschäftsbereich Personal der Uniklinik) sowie Dr. Estefanía Lang (Ärztin und Gründerin von Dermanostic und Medilogin), Dr. Asmae Gassa (Nachwuchskraft in der Herzchirurgie am Uniklinikum) und Dr. Gérard N. Bischof (Nachwuchskraft in der Nuklearmedizin) über Ihre Wünsche und Anforderungen an gute Führungskultur.
Gerade für Nachwuchswissenschaftler*innen spielen familiengerechte Strukturen eine große Rolle, die im eng getakteten Klinikalltag eine besondere Herausforderung darstellen. Hier ist bei Führungskräften besonderes Geschick gefragt, diese Anforderungen mit neuen Modellen zu beantworten und Führung neu zu denken. Dr. Estefania Lang hat sich als Ärztin und Mutter für den Weg ins Unternehmertum entschieden: hier seien die eigenen Gestaltungsspielräume größer, die Flexibilität der Arbeitsstrukturen besser umsetzbar und die Führungskultur persönlich steuerbar.
Gute Leistung entspringe, so hatte es schon Dr. Natalie Lotzmann in ihrem Auftaktvortrag betont, vor allem der Motivation. Hier finden auch im Umfeld der Universitätsmedizin Veränderungsprozesse statt. So zum Beispiel über das 360-Grad-Feedback, das es erlaube, den Einfluss von Führungsverhalten auf die Motivation der Mitarbeitenden zu ermitteln und zu verstehen sowie die Zusammenarbeit mit wichtigen Schnittstellenpartner*innen näher zu beleuchten. Die Diskussion hat gezeigt, wie wesentlich eine wertschätzende Feedback-Kultur auch in Unternehmen wie der Uniklinik ist, um Klinik und Forschung – nicht nur für Nachwuchskräfte – attraktiv und erfolgreich lebbar zu machen.
Unconscious Bias – oder was wir über unsere unbewussten Entscheidungsmechanismen wissen sollten
Dass Führung und Rekrutierung von Personal auf oft unbewussten Entscheidungsmustern und Denkfehlern aufbauen und etablierte Rollenbilder tief verwurzelt sind, konnte Professorin Dr. Isabell Welpe von der Technischen Universität München in Ihrem Vortrag „Unconscious Bias – oder was wir über unsere unbewussten Entscheidungsmechanismen wissen sollten“ anschaulich machen.
Isabell Welpe brachte mit ihrem von vielen Fakten und Daten unterlegten Vortrag nicht nur viel Licht ins Dunkel in das Thema Unconscious Bias, sondern auch viele Zuhörende zum Grübeln. Denn unbewusste Entscheidungsmechanismen greifen auch bei vermeintlich hoher Sensibilität für das Thema, so wurde den Zuhörenden klar. Deutlich wurde, dass die Erwartungen an Geschlechteridentitäten nicht nur tradiert sind, sondern neue Führungsstrukturen explizit behindern: Gälten Mediziner in Führungspositionen in der öffentlichen Wahrnehmung als Superhelden, so stießen Frauen in gleicher Position auf eine gehörige Position Ablehnung. Weibliche Führung und Macht stehe auch heute noch vielfach im Widerspruch zu etablierten Rollenbildern und Verhaltenszuweisungen.
Und wer hätte gedacht, dass sogar die Benennung von Wirbelstürmen Auswirklungen auf das Schadensausmaß zu haben scheint? Isabell Welpe lieferte die wissenschaftlich fundierte Erklärung: Weiblich benannte Hurricanes würden als weniger gefährlich wahrgenommen, sodass die Gefahrenabwehr hier nicht in selben Maße greife, wie es bei Wirbelstürmen mit männlicher Namensgebung üblich ist. Als Expertin für Gender Gaps sieht Isabell Welpe die wichtigste Tendenz in strukturellen Auflagen, beispielsweise in der Forschungsförderung. Wissenschaftsorganisationen hätten den Wert von diversen Teams, ähnlich wie es in international agierenden Unternehmen bereits praktiziert wird, erkannt. Wer ohne eine diverse Teamstruktur vorzuweisen öffentliche Förderungen einwerben wolle, sei zum Umdenken gezwungen. Hier seien Wissenschaftsorganisationen auf einem guten Weg, eine neue Führungskultur in der Forschung zu etablieren, so ihr Resümee.
Denkwerkstatt
In der Denkwerkstatt am Nachmittag trugen Führungs- und Nachwuchskräfte aktiv ihre Ideen und Wünsche zur Führungskultur zusammen und gingen dazu in den Dialog. Moderiert von Professorin und Prodekanin Elke Kalbe ging es in Raum 1 um das Thema „Karriereförderung: was muss noch getan werden?“ In Raum 2 diskutierte eine Gruppe zum Thema „Was können wir tun, um den Nachwuchs bestmöglich zu fördern?“, moderiert von Prof. Dr. Rudi Wiesner, Medizinische Fakultät. Um hier intensiv ins Gespräch zu kommen und Gedanke auszutauschen, waren beide Räume auf je zehn Teilnehmende beschränkt, was die Diskussion besonders lebhaft und fruchtbar machte.
Scientist Role Models: A Research & Life Perspective
In englischer Sprache präsentierten Prof. Dr. Christian Grefkes, Klinik und Poliklinik für Neurologie, und Dr. Jana Nätlitz, Klinik für Dermatologie und Venerologie, ihren persönlichen und inspirierenden Erfolgsweg in der medizinischen Wissenschaft. Trotz ihrer unterschiedlichen Wege betonten sowohl Jana Nätlitz als auch Christian Grefkes, dass ein wesentlicher Faktor ihres Erfolgs Auslandsaufenthalte gewesene seien, vor allem aber die enge Bindung zu Mentor*innen als wichtige Weggefährt*innen und Coaches ihnen weitergeholfen hätte.
Da sowohl Jana Nätlitz als auch Christian Grefkes Eltern sind, betonten beide zudem, wie wichtig einerseits flexible Strukturen auf der Arbeitsebene sowie andererseits eine stabile Partnerschaft auf Augenhöhe seien. Beide konnten deutlich machen, wie sehr das persönliche Fortkommen von Settings abhängt, die sowohl der Familien- als auch der Karriereplanung Raum geben und individuelle Exzellenz fördern.
Existenzgründung in der Medizin und in angrenzenden Fächern
Von der Wissenschaft in die Existenzgründung? Constanze Duhme und Dr. Reza Esmaillie stellten Wege und persönliche Erfahrung dieses Karrierewegs vor.
Zusätzlich zum Gateway Exzellenz Start-up Center der Universität zu Köln, das mit einem ganzheitlichen Ansatz Ausgründungen aus der Hochschule fördert und Transferprojekte in exzellenter Forschung identifiziert, gibt es mit Constanze Duhme als Transferscout seit 2021auch eine eigene Ansprechpartnerin für das Thema in der Medizin. Constanze Duhme nutzte die Gelegenheit, Gateway und das Beratungsangebot zum Gründen in der Medizin und angrenzenden Fächern vorzustellen.
Dr. Reza Esmaillie hat den Weg in die medizinische Selbstständigkeit mit der Gründung eines eigenen Unternehmens bereits hinter sich. Gemeinsam mit Janine Krauss, Sebastian Bargfrede und Dr. Robin Bayer hat er einen Virenschnelltest entwickelt und direkt den ersten Platz beim zweiten „Startup your idea“-Gründungsideenwettbewerb des Gateway Exzellenz Start-up Centers (ESC) und der WiSo-Fakultät erzielt. Das Schnelltestverfahren kann alle Arten von Viren detektieren und ohne großen Aufwand und vor allem ohne Labore durchgeführt werden soll. Ein Verfahren, das in Zeiten der Corona-Pandemie von großem Nutzen sein kann und den Teilnehmenden sehr anschaulich Inspiration für eigene Existenzgründungsprojekte liefern konnte.