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Pressemeldungen

Hilfe für psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche variiert in Köln nach Wohnort und Nachbarschaft

Universität zu Köln: Benachteiligungen in der Versorgungssituation von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen erforscht – Angebot zeigt Lücken

Kinder und Jugendliche sind in hohem Maße von der sozioökonomischen Stellung ihrer Familie und ihrem Lebensumfeld abhängig, sodass ein Ungleichgewicht bei der Behandlung psychische Störungen festgestellt werden kann: Das zeigt sich jetzt über eine wissenschaftliche Auswertung von in Anspruch genommenen Therapieangeboten für 0 bis 19-Jährige in Köln in der Corona-Zeit.

Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen um Adriana Poppe, Nachwuchswissen­schaftlerin aus der PMV forschungsgruppe an der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, hat sich mit diesem wichtigen Thema beschäftigt: “Wir haben festgestellt, dass psychiatrische und psychotherapeutische Angebote für Kinder und Jugendliche im Stadtzentrum häufiger genutzt werden als in der Peripherie (z. B. dem Kölner Norden), obwohl in den Außenbezirken eigentlich mehr Störungen diagnostiziert wurden. Das kann unter anderem damit zusammenhängen, dass es in der Peripherie einfach weniger Therapieplätze gibt: Da ist also eine Lücke zwischen Bedarf und Angebot. Sozio-ökonomische Faktoren wie Einkommen und Bildung der Familien spielen ebenfalls eine große Rolle”, erklärt Adriana Poppe. Sie ergänzt: „Hinsichtlich der Inanspruchnahme von therapeutischen Maßnahmen ist außerdem zu Bedenken, dass wir nur die Abrechnungsdaten der gesetzlichen Kranken­versicherung sehen, die einen Therapieplatz bekommen haben. Wenn gar keine Hilfe gesucht wird oder kein Therapieplatz zur Verfügung steht, wird das nicht direkt sichtbar. Die Folge ist eine hohe Dunkelziffer. Eine dafür genannte Ursache ist, dass das System bereits an die Kapazitätsgrenzen kommt und nicht jedes Kind mit Bedarf einen Behandlungsplatz erhält. Zusätzlich ist der Bereich der mentalen Gesundheit gesellschaftlich immer noch häufig mit einem Stigma belegt.“

Das Ergebnis: Die Anzahl von diagnostizierten psychischen Störungen und Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen variierte je nach Postleitzah­lengebiet, wobei die Raten im Norden, Süden und Osten der Stadt höher waren. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Inanspruchnahme von Diensten durch männliche Kinder und Jugendliche mit einer Diagnose von psychischen Störungen und Verhaltensstörungen in Gebieten mit einer höheren Dichte an Kinder- und Jugendpsychotherapeut*innen sowie Psychiater*innen mit Kassensitz höher war. Allerdings gab es insgesamt weniger Fälle in Gebieten mit einer höheren Dichte an Versorgenden. Diese Ergebnisse deuten auf einen unzureichenden Zugang zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen außerhalb des Stadtzentrums hin. Es ist davon auszugehen, dass eine feinere räumliche Gliederung – beispielsweise in Quartiere – diese Unterschiede nochmal deutlicher zeigen könnte.

Die Zusammenarbeit mit der Stadt Köln, aber auch anderen Akteur*innen wie der Caritas, der Gesundheitsregion Köln/Bonn oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in diesem Thema ist recht eng. Sie begann schon bei der Entwicklung der Idee für den Versorgungsbericht und hält bis heute an. Eine positive Konsequenz des Versorgungsberichts ist, dass sich auf Initiative der PMV-forschungsgruppe zusammen mit Univ.-Prof. Dr. Stephan Bender, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Köln, ein Runder Tisch gebildet hat, an dem auch die Stadt beteiligt ist. An diesem Runden Tisch wird v. a. nach Lösungen für die Situation gesucht.

Ausblick:

Aufgrund der Heterogenität der Bevölkerung innerhalb der einzelnen Postleit­zahlgebieten sollte die Untersuchung mit kleinräumigen Daten wiederholt werden, um potentielle Zusammenhänge zwischen Deprivation, Leistungsinanspruchnahme und Prävalenz besser untersuchen zu können. Zusätzlich handelt es sich bei den Abrechnungsdaten um Daten aus dem Jahr 2021, welches zu den von der Corona-Pandemie betroffenen Jahren zählt. Dementsprechend sollte die Studie mit aktuelleren Daten wiederholt werden, um zu überprüfen, ob die Ergebnisse mit der Pandemie zusammenhängen.

Hintergrund:

Der Anstoß für die Untersuchung war die Veröffentlichung des 3. CoRe-Net Versorgungsberichtes im September 2023, der die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in den Corona-Jahren 2020/2021 im Vergleich zum Vorzeitraum thematisiert. Hier gab es Hinweise in Interviews mit Versorgenden, dass eine ungleiche Verteilung von Versorgenden mit Kassensitz innerhalb des Stadtgebiets existiert.

Daraus ergab sich das Ziel der Studie, die Verteilung von psychischen und Verhaltensstörungen (Prävalenz) und die Versorgung mit psychosozialen Diensten für Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 19 Jahren in der Stadt Köln zu untersuchen und mögliche Benachteiligungen zu identifizieren. Insbesondere sollte untersucht werden, inwieweit diese Faktoren mit der räumlichen Platzierung und der Verfügbarkeit von Kinder- und Jugendpsychotherapeut*innen und Psychiater*innen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung abgedeckt werden, zusammenhängen. Schließlich wurden mögliche räumliche Variationen in diesen Aspekten analysiert.

Die Datenbank wurden im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes CoRe-Net, Kölner Kompetenznetzwerk aus Praxis und Forschung, aufgebaut. CoReDat ist eine Datenbank für das Stadtgebiet Köln mit Routinedaten/Abrechnungsdaten von vier gesetzlichen Krankenkassen (AOK Rheinland/Hamburg, BARMER, DAK-Gesundheit und Pronova BKK). Damit sind die Informationen zum Abruf von gesundheitsbezogenen Versorgungsleistungen von ungefähr der Hälfte der Kölner Bevölkerung enthalten. Die Datenbank wird jetzt mit Eigenmitteln der Universität zu Köln, darunter Mittel aus der Medizinischen Fakultät, weiter betrieben.

Zur PMV forschungsgruppe:

Die PMV forschungsgruppe ist ein interdisziplinäres wissenschaftlich arbeitendes Team an der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln und der Uniklinik Köln. Die Forschenden unterstützen Krankenkassen, Institute, Ministerien und Unternehmen bei gesundheitswissenschaftlichen und (pharmako-)epidemio­logischen Fragestellungen im Bereich der Versorgungsforschung.

 


Kontakt:

Adriana Poppe
PMV forschungsgruppe
Medizinische Fakultät I Universität zu Köln
Telefon: +49 (0)221-478-51674
Herderstrasse 52 I 50931 Koeln
adriana.poppeSpamProtectionuk-koeln.de

PMV | Start (pmvforschungsgruppe.de)

 

Pressekontakt:

Stephanie Wolff M.A.
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit/Kommunikation
Medizinisches Dekanat der Universität zu Köln
Joseph-Stelzmann-Straße 20 50931 Köln
Telefon: +49 (0)221 478 30774
stephanie.wolffSpamProtectionuk-koeln.de