Darmkrebs ist mit knapp 55.000 Neuerkrankungen pro Jahr eine der häufigsten Krebsarten in Deutschland. Die wichtigste Behandlungsform dafür ist die operative Entfernung des Tumors. Viele Patient*innen leiden danach an teilweise schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Verdauung – oft über mehrere Jahre. Wissenschaftler am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und an der Uniklinik Köln starten nun die LEONORA-Studie mit dem Ziel, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Projekt mit rund 700.000 Euro.
Der menschliche Körper besteht aus etwa 30 Billionen Zellen. Ungefähr genauso groß ist auch die Zahl der Bakterien und anderer Mikroorganismen, die unseren Körper bevölkern. Diese sind zwar um einiges kleiner als unsere Körperzellen, jedoch haben auch sie lebenswichtige Funktionen. Zum Beispiel halten sie Krankheitserreger fern, stellen Nährstoffe her und tragen zur Ausbildung des Immunsystems bei. Die Gesamtheit aller Mikroorganismen wird als Mikrobiom bezeichnet. Ein Großteil des Mikrobioms lebt im Darmtrakt und bildet dort die sogenannte Darmflora.
Für eine normale Verdauung ist eine gesunde Darmflora essenziell – und dementsprechend ein Gleichgewicht vieler unterschiedlicher Mikroorganismen. Die Darmkrebstherapie beeinträchtigt dieses Gleichgewicht. Nach der chirurgischen Entfernung des Tumors erhalten die meisten Patient*innen Antibiotika, um Entzündungen vorzubeugen. Diese Medikamente töten aber nicht nur schädliche Bakterien ab, sondern auch Teile der Darmflora. Im Anschluss an eine Operation wird oft eine Chemotherapie eingesetzt, um im Körper verbliebene Krebszellen abzutöten. Auch sie verändert die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm. In der Folge leiden viele Darmkrebspatient*innen an Verdauungsproblemen wie Durchfall, Verstopfung und Blähungen, die oft auch mit Schmerzen einhergehen – während und teilweise auch noch viele Jahre nach der Therapie. Zudem ist eine gesunde Darmflora wichtig für das Immunsystem, sodass es vermehrt zu Infektionen kommen kann. Insbesondere Wundinfektionen nach der Darmkrebsoperation können die Patient*innen stark belasten.
Mit der sogenannten LEONORA-Studie wollen die Projektleiter Prof. Dr. Ben Schöttker, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg, und Priv.-Doz. Dr. Lena Biehl, Uniklinik Köln, diese Nebenwirkungen bekämpfen. Dafür setzen die Forschenden sogenannte Synbiotika ein. Diese Medikamente bestehen aus einer Mischung von lebenden Mikroorganismen und Stoffen, von denen diese sich ernähren. „Wir verabreichen der Hälfte der Studienteilnehmer*innen im Anschluss an ihre Darmkrebsoperation über zwölf Wochen täglich eine Kapsel mit zwölf Bakterienstämmen und ein Pulver zur Ernährung der Bakterien, das in einem Glas Wasser aufgelöst getrunken wird. Die andere Hälfte bekommt ein Scheinpräparat ohne Bakterien und der Vergleich der beiden Gruppen wird uns zeigen, wie stark sich die Lebensqualität durch eine Stärkung der Darmflora verbessern lässt“, so Lena Biehl. Neben einer verbesserten Lebensqualität und geringeren Infektanfälligkeit der Darmkrebspatient*innen könnte die Studie auch Ergebnisse zu einer effektiveren Behandlung liefern: „Es gibt Hinweise darauf, dass einige Mikroorganismen krebshemmend wirken und das Ansprechen auf bestimmte Krebstherapien verbessern können“, so Ben Schöttker.