Forschende haben bei einem 63-jährigen Patienten mit Knochenmarkkrebs eine seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkung bei einer innovativen Immuntherapie (CAR-T) entdeckt und analysiert. Die Ergebnisse der Studie sind von Wissenschaftler*innen der Medizinischen Fakultät und der Uniklinik Köln, der Universitätsmedizin Leipzig, sowie des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie am 21.02.2024 im hochrangigen Journal Nature Medicine veröffentlicht worden.
Formen von Blutkrebs, wie das sogenannte Multiple Myelom und die Lymphome, sind bösartige Tumorerkrankung, die sich von Abwehrzellen, den Lymphozyten, ableiten. Seit wenigen Jahren sind CAR-T-Zell-Therapien ein essenzieller Bestandteil der Behandlung wenn vorherige Therapien nicht erfolgreich waren. Dabei werden patient*inneneigene T-Lymphozyten (T-Zellen) genetisch modifiziert, um mittels eines chimären Antigenrezeptors (CAR), die Krebszellen gezielt zu erkennen und zu eliminieren.
In der aktuellen wissenschaftlichen Publikation wurde ein besonderer Fall untersucht: Ein 63-jähriger Patient mit Knochenmarkkrebs entwickelte neun Monate nach einer CAR-T-Zelltherapie ein T-Zell-Lymphom, das sich neben dem Blut auch in der Haut und dem Darm zeigte. Der Tumor entstand aus den genetisch veränderten T-Zellen, die zur Behandlung eingesetzt wurden. Die Forschenden fanden heraus, dass nicht nur die genetische Veränderung der T-Zellen für den Tumor verantwortlich war. Auch bereits vorhandene, früh angelegte Genveränderungen des Patienten, der an der Uniklinik Köln behandelt wurde, spielten eine Rolle.
Die Forschenden nutzten modernste Technologien, um die Entwicklung des Tumors genau zu untersuchen. Zur Analyse des Phänomens wurden verschiedene Verfahren des Next-Generation-Sequencing eingesetzt, eine Hochdurchsatz-Technologie zur Analyse von DNA- und RNA-Sequenzen. Whole Genome Sequencing diente der Identifikation genetischer Veränderungen, während Einzelzell-RNA-Sequenzierung das Transkriptom der CAR-T-Zellen analysierte, um Gene und Signalwege zu untersuchen. „Dieser Fall unterstreicht eindrücklich die Relevanz des Fortschritts und der Verfügbarkeit von Next-Generation-Sequencing-Verfahren in klinisch relevanten Fragestellungen. Nur durch den Einsatz modernster molekularer Analysemethoden konnten wir die zugrunde liegenden Mechanismen dieser seltenen, aber schwerwiegenden Nebenwirkung entschlüsseln“, sagt Dr. Till Braun, Assistenzarzt der Klinik I für Innere Medizin und Erstautor der veröffentlichten Studie. Die enge Kooperation zwischen Kliniker*innen und Grundlagenwissenschaftler*innen auf dem Gebiet der CAR-T-Zelltherapie ermöglichte es, den Fall innerhalb kürzester Zeit zu analysieren.
Die Uniklinik Köln zählt zu einem der größten Zentren in Europa zur Behandlung des Multiplen Myeloms mit CAR-T-Zellen. Darüber hinaus besteht hier eine international anerkannte Expertise zu reifzelligen T-Zell-Leukämien, die in diesem Fall synergistisch mit dem Myelomschwerpunkt genutzt werden konnte, um ein tiefergehendes Verständnis der Pathogenese zu gewinnen. "Seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen von innovativen Krebstherapien frühzeitig zu erkennen, ist essenziell, um die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Behandlungen kontinuierlich zu verbessern. Unser Fall zeigt, wie wichtig eine enge wissenschaftliche Begleitung dieser dynamisch zunehmenden Therapieform ist,“ so Dr. Tim Richardson, der als Facharzt an der Uniklinik Köln mit Schwerpunkt Multiples Myelom den Patienten betreut hat und Letztautor der Studie ist.
„Wir planen weitere wissenschaftliche Untersuchungen, um ähnliche Fälle besser zu verstehen und Risikofaktoren genauer bestimmen zu können. Unser Ziel ist es, solche Nebenwirkungen nach CAR-T-Zelltherapien bei der Behandlung in Zukunft so möglich vorhersagen und verhindern zu können“, ergänzt Univ.-Prof. Dr. Michael Hallek, Direktor der Klinik I für Innere Medizin und des Centrums für Integrierte Onkologie an der Uniklinik Köln.
Originalpublikation:
Nature Medicine: Multiomic profiling of T cell lymphoma after therapy with anti-BCMA CAR T cells and GPRC5D-directed bispecific antibody, DOI: 10.1038/s41591-025-03499-9
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